Stockhorn

22 Summits Stories

Das blaue Leuchten vom Stockhorn


Als im Jahr 1958 die Pendelbahn Hohtälli-Stockhorn errichtet wurde, bemerkten Arbeiter im Fels ein aussergewöhnliches bläuliches Schimmern. Schnell hatte sich der rätselhaft schöne Fund herumgesprochen und Strahler auf den Plan gerufen – so nennt man in der Schweiz Kristall- und Mineraliensammler, die über so viel geologisches Wissen verfügen, das sie ermächtigt, Gesteinskostbarkeiten im Gebirge zu finden.

Das Stockhorn, der 3532 hohe und zwischen Triftji- und Gornergletscher gelegene Berg, barg eine hochalpine Fundstelle für Blauspath genannt Lazulith. Die Fundstelle war bald erschlossen und gründlich ausgebeutet. Die Arbeiter waren jedoch nicht die ersten gewesen, denen der Lazulith vom Stockhorn ins Auge gefallen war. Schon im 19. Jahrhundert (1866) hatte der Breslauer Geologe Gustav Adolf Kenngott das Gestein und sein Vorkommen in Zermatt beschrieben. Dies wurde jedoch nur innerhalb naturwissenschaftlicher Kreise zur Kenntnis genommen. In Folge war es Alexander Taugwalder (1897-1952), der sich nicht nur als Bergführer hervortat, sondern auch Naturfotograf war und über einen besonderen Sinn für die Schönheit der Schöpfung verfügte. Er war es, der zum zweiten Mal die blauleuchtenden Steine entdeckte.

Nach ihm machten sich die Brüder Alfred und German Kronig um den Lazulith verdient. Das Exponat, das im Mineraliengeschäft „Serafina“ in Zermatt ausgestellt ist, gehört Alfred Kronig, dem ehemaligen Profi-Langläufer und Olympioniken von 1952 (Oslo) – und Strahler.

Lazulith war in den 60er und 70er Jahren ein beliebter Schmuckstein. Es kam zu einem regelrechten Boom, und noch heute freuen sich Edelsteinschleifer über Rohlinge vom Stockhorn. Lazulith ist himmelblau leuchtend, geologisch gesprochen: ein Magnesium-Eisen-Aluminiumphosphat, das in der Schweiz nur in Zermatt und in Soglio im Bergell entdeckt wurde. Weltweit gibt es nur wenige Fundstellen. Vor allem in Österreich und in den USA kommt Lazulith vor. Dank seiner Härte, Struktur und Farbe eignet er sich hervorragend zur Schmuckanfertigung. Am Stockhorn lag er in Knauern vor, die oft in Quarz eingebettet und vom Nebengestein (ein Muskovitglimmerschiefer) durch eine gelbgrüne Glimmerhaut getrennt waren. Mit Lazulith verzahnt und verwachsen ist meist gelblicher Apatit.


Noch immer gibt es vereinzelt Strahler in der Region. Die Geschichte vom blauen Leuchten am Stockhorn hat uns Sancho Biner aus St. Niklaus, ein Angestellter der Zermatt Bergbahnen, erzählt. Schon sein Vater nahm ihn und seinen jüngeren Bruder mit, als sie noch Kinder waren, und wies sie in die Geheimnisse des Strahlens ein. „Sicherlich braucht es eine Portion Glück, um Mineralien zu finden“, sagt Sancho Biner, „aber ohne geologische Kenntnisse, Verständnis über die Zusammenhänge in der Natur und viel Erfahrung, um gefundene Klüfte fachgerecht zu bearbeiten, wird es nichts. In Kombination mit der Suche und dem Abenteuer bleibt das Strahlen einmalig.“ Heutzutage, so Biner, sei trotz massiver Gletscherrückgänge ein grösserer Aufwand nötig, um Mineralien zu finden. „Klüftige Zonen sind meist systematisch abgesucht.“ Das Stockhorn jedenfalls, so viel steht fest, ist weit mehr als ein Freeride-Gebiet. Es ist ein Ort, der nicht nur an das Lazulith-Fieber am Ende der 50er Jahre erinnert, sondern an Berge, die Geheimnis sind.


Weiterlesen

Peter Bearth: Geologischer Führer von Zermatt. Hrsg.: Alpine Vereinigung Zermatt 1977

Hermann Fietz: Alexander Taugwalder, in: Die Alpen (Sonderbeilage), 1954

Gerhard Gnehm: Mineraliensuche zwischen Zermatt und Saas Fee

Mineralienlexikon der Schweiz, Wepf Verlag, Zürich 1998

Robert L. Parker: Die Mineralien der Schweizer Alpen, 1954/1973


Weiterstaunen

Mineralienmuseum mit Verkaufsladen, Kunst und Kristall von Sancho Biner in St. Niklaus, Nach Voranmeldung: Tel. 079 – 366 43 90 oder sanchobiner@gmail.com

Serafina, Hofmattstrasse 11
Tel. 079 501 03 57

Kristallgeheimnis am Kirchplatz
Tel. 079 290 29 30